Rückblick auf die Diskussion am 12.10.2010 bei der Konferenz Forum 2000
Dieser Text ist ein kurzer Rückblick auf unser Diskussionspanel „Lesson taken (?). Role of Political Prisoners in our Past, Presence and Future“, das Teil des Begleitprogramms des 14. Jahrgangs der internationalen Konferenz der Stiftung Forum 2000 war, die alljährlich unter der Schirmherrschaft von Václav Havel in Prag stattfindet.
Als erste trat Trudie Bryksová auf, die Gattin des verstorbenen Brigadegenerals Josef Bryks, der während des Zweiten Weltkriegs als Jagdflieger für die britische Seite in der Luftschlacht um England gegen Deutschland kämpfte, später abgeschossen wurde und anschließend mehrmals aus NS-Gefangenenlagern flüchten konnte. Nach dem Kriegsende heiratete er die Engländerin Trudie Rose und lebte mit ihr in Olomouc (Tschechoslowakei). Trudie Bryksová beim Diskussionspanel: „Ich kam im November 1945 in die Tschechoslowakei. Ich war überzeugt, unsere Zukunft wäre abgesichert, und ich erwartete ein Kind, das Leben in der ČSR war allerdings etwas anders als in England, aber wir haben uns daran gewöhnt.“ Nach dem Februarumsturz 1948 bereitete Josef Bryks seine Flucht ins Ausland vor, wobei er nicht wusste, dass sich unter den Organisatoren Vertreter der kommunistischen Staatssicherheit (StB) befanden; er wurde verhaftet und zuerst zu 10 Jahren verurteilt, wobei die Strafe dann bald um weitere 20 Jahre hinaufgesetzt wurde. Trotz seines besorgniserregenden Gesundheitszustandes blieb er bis zu seinem Tode im Jahre 1957 in Gefängnissen und Uranbergwerken inhaftiert. Er verstarb im Lager Rovnost in Jáchymov im Alter von nur 41 Jahren an massivem Herzversagen, und zwar kurz nachdem er erfahren hatte, dass ihm das sozialistische Regime untersagte, einen Teil seines Verdienstes seiner Gattin und Tochter Sonie zukommen zu lassen, die im Exil in Großbritannien mehr schlecht als recht lebten.
Trudie Bryksová erinnerte sich: „Josef war in allen Arten von Gefängnissen, bis er in Jáchymov verstarb. Es war das tragische Schicksal eines Helden.“ Damals war sie vom Tode ihres Mannes jedoch lange nicht informiert worden. Als sie schließlich davon erfuhr, weigerte sich die tschechoslowakische Botschaft, diese Information zu bestätigen und tat dies erst, nachdem sie ihre Geschichte in den Medien veröffentlicht hatte. Die Tschechoslowakei konnte sie erst nach 1989 wieder besuchen, wobei sie feststellte, dass es im Heimatort von Josef Bryks immer noch Verwandte gab. Sein Neffe Karel Bryks hatte umgekehrt bis dahin erfolglos nach seiner Tante und deren Schicksal geforscht. Die Rückkehr in die Tschechoslowakei war damals auch eine Erneuerung unterbrochener Familienbande.
Erst 2007 wurde Josef Bryks voll rehabilitiert. Das Regime hatte sich seinerzeit geweigert, seine sterblichen Überreste seiner Familie zu übergeben, und erst 2009 konnten sie dank der Bemühungen der Historiker Aleš Kýr und Alena Kafková gefunden werden.
Der zweite Gast des Panels war José Luis García Paneque, ein kubanischer Arzt, Journalist und Dissident, der u.a. am sog. Varela-Projekt (Proyecto Varela) beteiligt war – einer Petition für die Einführung von demokratischen Reformen auf Kuba. Doktor Paneque wurde im März 2003, zur Zeit der intensivierten Repressionen gegen die kubanischen Dissidenten, verhaftet und wegen Destabilisierung des kubanischen Systems zugunsten der USA zu 24 Jahren Gefängnis verurteilt. Im Gefängnis litt er an schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen und verlor fast die Hälfte seines Körpergewichts. Er wurde erst im Juli 2010 entlassen und zur Zeit seines Besuchs der Konferenz Forum 2000 wartete er noch auf ein Wiedersehen mit seiner Familie, der es in der Zwischenzeit gelungen war, in die USA zu emigrieren. „Ich bin zutiefst traurig, dass viele meiner Freunde in Kuba noch immer im Gefängnis sitzen.“ Laut Doktor Paneque kann die Tschechische Republik ihre wertvollen Erfahrungen mit dem Übergang von einer sozialistischen Diktatur zu einer Demokratie an Kuba weitergeben, das dies erst wird lernen müssen. Gerade auf dieser Ebene berührten einander die Auftritte von Trudie Bryksová, der Gattin eines tschechoslowakischen politischen Gefangenen der 1950er Jahre, und von Doktor Paneque, dessen Erfahrungen als politischer Gefangener in höchstem Maße aktuell sind.
Der dritte Gast des Panels war der tschechische Historiker Miroslav Vaněk, der in diesem Jahr zum Vorsitzenden der Internationalen Assoziation für Oral History (IOHA - International Association of Oral History) gewählt wurde. Professor Vaněk gedachte der Anfänge der Oral History und der Möglichkeiten, diese Methode bei der Erforschung von „totalitären Regimen“ einzusetzen, forderte aber auch, dass bei den Forschungsarbeiten alle zugänglichen Arten von Quellen genützt werden müssen. Die Erforschung politischer Repressionen ist eines der Hauptthemen der Oral History und im tschechischen Umfeld hat es auch schon mehrere solche Forschungen gegeben – es handelt sich beispielsweise um die Forschungsarbeiten des Zentrums für Oral History der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik (Centrum orální historie AV ČR) oder um zahlreiche Arbeiten von Studierenden. Hier müssen laut Professor Vaněk Projekte hervorgehoben werden, die im Einklang zur internationalen Entwicklung in diesem Fachgebiet und den methodologischen Standards stehen.
Der letzte Gast der Debatte war Tomáš Bursík, Fachmann für die Thematik politischer Gefangener und Leiter der Abteilung Neue Geschichte des Historischen Museums in Prag. „Was mir bei den Erfahrungen politischer Gefangenen und der Arbeit der Historiker mit ihnen am allermeisten Kopfzerbrechen bereitet, ist die strikte Trennung der politischen Gefangenen der 1970er und 1980er und jener der 1950er und 1960er in der Tschechoslowakei“, meinte Tomáš Bursík und fügte hinzu: “Ich meine, im Leben eines jeden politischen Gefangenen geht es um Liebe und Hoffnung, egal, ob wir die fünfziger, dreißiger, achtziger Jahre oder das Jahr 2010 schreiben. Wahrscheinlich liegt dieses Manko in der Arbeit von uns Historikern begründet, dass wir nicht imstande sind, Begriffe wie politischer Häftling, Heldentum oder Feigheit klar zu definieren und ständig gewisse Eigenschaften zu Lasten anderer hervorheben. Die politischen Gefangenen der 1950er und 1960er hatten die Hoffnung, die Hoffnung, dass es in Kürze krachen würde oder uns die Amerikaner befreien kommen. Hatten diese Hoffnung die politischen Gefangenen der 1970er und 1980er, die bereits 20 Jahre ihres Lebens in einem kommunistischen Regime absolviert hatten? Und dennoch waren sie fest entschlossen, auf ihre individuelle Art und Weise ihr Leben und ihre Gedanken zu verteidigen und dies auch zu verbreiten.“ Laut Tomáš Bursík fördert schon allein der Vergleich des Funktionierens verschiedener Oppositionsgruppierungen in der Tschechoslowakei und in Polen so manch Interessantes zu Tage. In Tschechien streiten seiner Meinung nach einzelne Gruppierungen miteinander, was sich beispielsweise im Gesetzesentwurf über den sog. Dritten Widerstand widerspiegelt, in dem wieder versucht wird, die politischen Gefangenen auseinander zu dividieren.
Abschließend möchten wir für das Team von Politití vězni.cz allen Gästen, Konferenzteilnehmern, Partnern und Mitgliedern des Organisationsteams der Stiftung Forum 2000 herzlich für ihre Bemühungen danken.